Jubilate

+25.04.2021+ Apostelgeschichte 17

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm auferstandenen Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

können Sie sich noch an die Zeit ohne Smartphones, WhatsApp und Internet erinnern? An eine Zeit, in der man die neuesten Nachrichten auf dem Marktplatz erfuhr und nicht über Facebook, Instagram oder ähnlichem?

In der Mitte eines Dorfes, am Marktplatz einer Stadt da trafen sich früher die Menschen, um up-to-date zu sein, auf dem neuesten Stand.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass um das Jahr 50 n. Chr. die Griechen den Fremden namens Paulus auf den Areopag in Athen führten, damit er seine „Neuigkeiten“ allen verkünden konnte. Paulus, der mit offenen Augen durch die Stadt gegangen ist und sich die fremden Menschen und ihre Kultur angeschaut hat, beginnt, zu den Männern zu reden.

 

Apostelgeschichte 17,22-28a:

 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Denn ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 dass sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.

 

Da steht Paulus - im Mittelpunkt und spricht mit lauter Stimme zu der griechischen Menschenmenge. Er redet von Gott, der sich seiner Schöpfung in verschiedenen Weisen offenbart. Er legt offen dar, was er in der Stadt gesehen hat: Götter in allen Stücken, Heiligtümer und Altäre. Wie mag es ihm wohl gegangen sein, auf seinem Weg durch die griechische, heidnische Götterwelt? Dort an der Ecke ein Tempel, der der Siegesgöttin Nike geweiht ist. Siegen, Gewinnen, die Goldmedaille holen, Weltmeister werden – es verwundert nicht, dass ein Sporthersteller sich den Namen Nike oder vielmehr [naiki] gegeben hat. „Your only limit is you.“ (Deine einzige Grenze bist du selbst.) Mit diesen Schuhen ist dir fast alles möglich. Leistung, im Sport, aber auch im Beruf, ist in unserer Gesellschaft ein sehr hoher Wert geworden – vielleicht fast schon ein göttlicher?

Ein paar Straßen weiter steht aus Stein gemeißelt Aphrodite, in ihrer vollen Schönheit. Die Frauen schauen sehnsüchtig zu ihr auf: Wäre ich doch nur so schön?

Dann würden mir die Männer zu Füßen liegen. Sie gehen heim und fangen gleich an, Diäten zu machen, Joggen zu gehen, sich auf die Waage zu stellen. „Immer noch ein paar Kilo zu viel.“ Sie suchen Wellness-Oasen und lassen sich mit Botox die Falten wegspritzen. So mancher Mensch, egal ob Frau oder Mann, verliert sich im Schönheitswahn, macht diesen zu seinem Gott.

Ihr Männer und Frauen, ich sehe, dass ihr Götter in allen Stücken verehrt! Beginnt Paulus also seine Rede auf dem Areopag – und hätte sie so auch in unserer Zeit in einem Einkaufscenter beginnen können. Ich habe eure Heiligtümer gesehen, das, woran ihr euer Herz hängt, und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: dem unbekannten Gott. Nun verkünde ich, was ihr unwissend verehrt.

Paulus wagt sich weit aus dem Fenster. Er ist schließlich fremd hier, stammt nicht aus diesem Kulturkreis. Trotzdem stellt er sich mutig vor die Menschen, die an den unterschiedlichsten Orten Gott suchen, und erzählt ihnen von Gott. Er tut etwas, das viele Menschen sich heute nicht mehr trauen, nämlich sich offen zu Gott zu bekennen, vor allen anderen, unabhängig davon, was sie über einen denken.

Viele schämen sich eher und schweigen – ich kenne das aus manchen Situationen auch.

Woran ihr euer Herz hängt, da ist euer Gott! Das heißt nicht, dass glaubende Menschen keine Leidenschaft mehr haben dürfen, wie z.B. Fußball, große Autos oder Shoppen gehen. Es verbietet auch niemandem, sich zu pflegen und etwas für seine Gesundheit zu tun. Vielmehr soll dieser Satz uns zum Nachdenken darüber bringen, wo wir Gott suchen und zu finden meinen. Suchen wir ihn in der Gesundheit, in der Leistung, im Erfolg, im Reichtum? Suchen wir ihn in fernöstlichen Religionen oder in der Natur? Oder suchen wir ihn in Jesus Christus, in dem Gott sich offenbarte, um uns nahe zu sein?

Gut, mit der Auferstehung hatten die Athener damals große Schwierigkeiten. Das war etwas, das sie einfach nicht glauben konnten. Wie soll ein Mensch von den Toten auferstehen? Und warum überhaupt? Jeder hat doch im Leben die Möglichkeit, sich zu verwirklichen und so zu leben, wie es gut für sie oder ihn ist.

Deshalb versucht Paulus, ihnen Gott auf einem anderen Weg nahe zu bringen.

Der unbekannte Gott, den ihr verehrt, ist Gott, der die Welt gemacht hat, der Schöpfer des Himmels und der Erden. Er lässt sich nicht in Tempeln oder Kirchen einsperren, sondern er zeigt sich überall dort, wo er will. Was bedeutet es, dass Gott der Schöpfer allen Lebens ist? Paulus erklärt es folgendermaßen: Gott lässt sich nicht von Menschenhänden dienen. Was eine große Schwäche von uns Menschen ist, nämlich dass wir uns leicht beeinflussen, manipulieren lassen, bleibt bei Gott ohne Erfolg. Gott lässt sich nicht beeinflussen, nicht durch Bestechungen, nicht durch Opfergaben. Er ist nicht abhängig, weder von Äußerlichkeiten noch von irgendetwas anderem. Vielmehr ist er selbst es, der jedem den Lebensodem schenkt, Gott der Schöpfer allen Lebens. Wer Gott als Schöpfer des Himmels und der Erden bekennt, bekennt gleichzeitig, dass alles, was lebt, von Gott gewollt ist. Er allein setzt fest, wie lange ein Mensch lebt und in welchen Grenzen er oder sie wohnen soll. Gerade mit Letzterem haben viele Menschen große Probleme: Gott bestimmt, in welchen Grenzen wir Menschen leben sollen?

Ist es also Gottes Wille, wenn einer die Arbeit verliert, die Wohnung räumen muss, weil Hartz IV nicht ausreicht, und schließlich auf der Straße landet? War es Gottes Plan, dass eine Familie auseinanderbricht, dass ein junger Mensch keinen Ausweg mehr sieht? Und wie können wir Paulus verstehen angesichts der Pandemie mit all den Menschen, die bereits mit und an Covid-19 gestorben sind?

Gott hat festgesetzt, wie lange Menschen bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen. Das mag uns erschrecken, denn wir stellen uns Gott lieber als alten Mann mit langem Bart vor, der keiner Fliege was zu Leide tun kann. Oder als Inbegriff der Liebe, allerdings nach unserer Definition und nach unseren Spielregeln. Und wenn es nicht so läuft, wie wir uns es wünschen, dann klagen wir: Wo bist du, Gott? Gibt es dich überhaupt?

Luther sprach hier vom verborgenen Gott, dem deus absconditus, dessen Wege wir nicht verstehen. Auch Luther verzagte oft an der verborgenen Seite Gottes und fühlte sich ständig vom Teufel bedroht. In solchen Stunden der Anfechtung riet ihm sein Beichtvater: wenn du in tiefen Zweifeln steckst und Gott nicht mehr verstehen kannst, dann richte deinen Blick auf das Kreuz, auf Jesus Christus. Er ist die sichtbare Seite Gottes. In ihm ist uns Gott immer nahe, auch in der dunkelsten Stunde unseres Lebens.

Wir können Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, nicht fassen. Unser Verstand ist zu klein, unser Herz zu eng. Doch wenn wir unseren Blick auf Jesus richten, dann finden wir ihn, dann ist er fürwahr nicht ferne von einem jeden unter uns.

Mitten auf dem Marktplatz von Athen steht Paulus und bekennt sich zu Gott, dem Schöpfer allen Lebens, den Erschaffer aller Menschen, egal ob Jude, Grieche oder Deutscher, egal ob Mann oder Frau, egal ob mit schwarzer oder weißer Hautfarbe. Jeder Mensch ist von Gott geschaffen, in seine Schöpfung gesetzt, damit er die Herrlichkeit Gottes erkennen möge in jeder Blume, die aufblüht, in jedem Frühlingslied der Vögel, in jedem neugeborenen Leben.

Gerade jetzt, wo sich die Natur mehr und mehr im schönsten Kleid zeigt, ermuntert uns Paulus, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, um die Werke des Schöpfers zu bewundern. Mit offenen Ohren das Leben zu hören, mit offener Nase das Neue zu riechen. Er ermutigt uns, unseren Glauben „auf dem Marktplatz“ unseres Lebens zu bekennen:  Jubilate Dei, omnis terra – Jauchzet dem Herrn, alle Welt. Dem Gott, in dem wir leben, weben und in dem wir sind.

Amen.

 

(Pfarrerin Martina Berthold)

 

Du Schöpfer aller Dinge,

wie du die Natur zu neuem Leben erweckst,

so willst du auch uns Menschen erneuern

und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen,

in denen Gerechtigkeit wohnt.

Belebe uns, wecke uns auf aus aller Verzagtheit,

dass wir den Mut haben zu glauben

und auferstehen zum Leben mit dir.

Durch Jesus Christus, unseren Herrn.

G: Amen